Wie mich eine Modernisierungsankündigung in eine Mietrebellin verwandelte

Heike Thomas

(MieterInneninitiative FULDAWEICHSEL)

Im April/Mai 2010 kündigte unsere damalige Hausverwaltung TREUREAL zwei Architekten an und bat um Zustimmung zur Wohnungsbegehung. Es sollte festgestellt werden, welche Schäden es in meiner und den übrigen Wohnungen gibt, die eventuell behoben werden müssen. Sechs Wochen später stellten sich selbige „Architekten-Personen" als zwei der neun neuen EigentümerInnen des Hauses vor.

Am 3.8.2010 kam die Modernisierungsankündigung. Das Programm der KfW zum „Energieeffizienzhaus 85" sah eine massive Umwandlung vor:

Fernwärme statt Gasetagenheizung, 16 cm Fassadendämmung(Steinwolle), neue Kalt- und Warmwassserstränge samt Verbrauchszähler und Funkmodulen, neue Abwasserrohre, neue bzw. aufgearbeitete Fenster, Stilllegung der Kohleöfen, Solarpaneele auf dem Dach, Umgestaltung des Innenhofes (damit es „schick" aussieht?!), Dachloft für die EigentümerIn/GeschäftsführerIn, samt Glasfahrstuhl im Innenhof, Balkone im Innenhof mit barrierefreien Zugängen durch die Küchen.

Ich stand den „netten" neuen EigentümerInnen/GeschäftsführerInnen und ihrem Projekt „Weichselplatz" am Anfang erst einmal offen gegenüber. Ich hatte sie sogar willkommen geheißen, denn das Haus (von ca. anno 1908) sah von außen wirklich ganz schön vernachlässigt aus. Die Wohnungen waren fast alle von den MieterInnen selber sehr schön in Eigenleistung hergerichtet worden und auf einen „ortsüblichen" Standard gebracht. Manche hatten sogar selbst die Gasetagenheizung eingebaut und auch ich habe vor fast zwölf Jahren keine Mühen gescheut, um die Wohnung bewohnbarer zu gestalten. Neues Bad, Badewanne, Waschbecken, Wände gefliest etc., Dielen in der gesamten Wohnung abgezogen. Die Küche gefliest, samt Boden. Eine Wand wurde trockengelegt etc. pp. Was du halt so machst, wenn du dich auf eine längere Zeit einrichten möchtest. Ich schuf meinen beiden Kindern und mir ein schönes Zuhause. Als alleinerziehende Mutter bin ich auf ein dauerhaftes Mietverhältnis und eine bezahlbare Wohnung unbedingt angewiesen. Damals kostete die Wohnung noch 278 Euro kalt. Bis 2010 stieg die Miete auf ca. 470 Euro warm. Nach der Modernisierung sollte die Wohnung dann 621 Euro kosten!

Das hätte für mich – als selbständige mobile Friseurin, alleinerziehend, ohne Unterhalt vom Vater der Kinder, als sogenannte Aufstockerin – den Verlust der Wohnung bedeutet, weil der Hartz IV Mietgrenzwert bei 542 Euro lag und das Jobcenter so eine Miete/Mietsteigerung als Grund zur Aufforderung zur Mietkostensenkung oder sogar zum Auszug heranziehen kann.

Was sollte ich tun? Die EigentümerInnen gaben mir nach Bekanntwerden der Modernisierung zwei Wochen Zeit (nach der gesetzlichen Rechtsprechung sind es drei Monate !) eine Duldung auszusprechen. Das tat ich nicht. Sondern:

1. Ich suchte das Gespräch mit den NachbarInnen

2. Ich suchte eine Beratungsstelle der Berliner Mietergemeinschaft auf und wurde Mitglied

3. Ich informierte mich nach allen Seiten

4. Ich unterschrieb nichts!

Am 3.11.2010 sollte die Modernisierung in meiner 69qm-Wohnung losgehen. Ich öffnete die Tür aber nicht, denn Eintritt gewähren bedeutet Duldung, und damit ging der „Kampf" um meine Wohnung los. Ich wollte die Duldung NICHT zu meinem Nachteil aussprechen. Ich bin ja Vertragspartnerin, also wollte ich VERHANDELN!

Ich verhandelte mit den EigentümerInnen bis Ende August 2011. Als Hilfe holte ich mir einen Rechtsanwalt an meine Seite, mit dem ich eine Vereinbarung zur Sicherung meines Mietverhältnisses aufstellte: zehn Jahre keine Kostensteigerung der Kaltmiete, Ausschluss der Möglichkeit zur Kündigung wegen Eigenbedarf, auch keine Kündigung wegen eines Verwertungsanspruches, auch nicht bei einem erneuten Verkauf des Hauses. Erlaubnis zur Untermiete, falls eines meiner Kinder auszieht oder ich aus anderen Gründen die vereinbarte Miete nicht zahlen kann. Nach Ablauf der 10-Jahresfrist ist nur eine Mietsteigerung von bis zu 5% (innerhalb von drei Jahren) möglich. Die EigentümerInnen wollten gern, dass ich vertraglich versichere: "....nie mehr über die Grundstücksgemeinschaft eine Meinung zu äußern......". Das habe ich empört abgelehnt! Dieser Passus wurde nach meinem Verlangen ersatzlos gestrichen. Auch weil der Vertrag NUR SO Rechtsgültigkeit versprach! So kam die Einigung dann endlich Ende August 2011 zustande.

Währenddessen wurde unsere MieterInnen-/Hausgemeinschaft immer fester im gemeinsamen Engagement für unsere Wohnungen, unser soziales Umfeld, unsere NachbarInnen.

Dass ich überhaupt die Nerven und die Zeit in meine Inanspruchnahme meiner spärlichen MieterInnenrechte gesteckt habe, habe ich auch unserer Super-Hausgemeinschaft zu verdanken. Wir als MieterInnen treffen uns seit Bekanntwerden des Modernisierungsplanes von Anbeginn einmal wöchentlich. Wir haben uns nicht nur Mut zugesprochen und uns gegenseitig moralisch unterstützt, sondern haben auch verschiedene Aktionen initiiert wie z.B.: Nachbarschaftstreffen mit Kaffee & Kuchen vor dem Haus und im Winter im Innenhof ein Glühweintrinken; haben Postkarten kreiert, sind mit einer Wohnzimmerinstallation auf der „Biennale" und bei „48 Std. Neukölln" dabei gewesen. Einige von uns wirken am „Mietenpolitischen Dossier" mit. Das erste Dossier wurde im roten Rathaus an die zuständigen Politiker überreicht. Wir organisierten eine Diskussion im Abgeordnetenhaus mit. Wir gingen in die Öffentlichkeit über die verschiedenen Medien, um auch andere Menschen auf das breitflächige Problem „Mietsteigerung" und möglicher Verlust der Wohnung durch „energetische Modernisierung" aufmerksam zu machen. Wir gingen auf unsere NachbarInnen im nahen und weiteren Umfeld zu und kommunizierten Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Wir vernetzten uns mit anderen MieterInneninitiativen, wir organisierten Demos mit, wir haben eine informative Webseite (fuldaweichsel.wordpress.com) eingerichtet.

Ich habe mir natürlich mit meinem Engagement nach der getroffenen Vereinbarung keine Lorbeeren bei den EigentümerInnen verdient! Ganz im Gegenteil. Fortan versuchten diese mich zu diffamieren, zu kriminalisieren und stellten mich in der Öffentlichkeit als Lügnerin dar! Bisher hat die betroffene MieterInnenschaft auf rechtliche Schritte (z.B. Anzeige wegen Verleumdung) verzichtet. Die VermieterInnen taten so, als ob sie gegen jegliche Art von Gewalt seien. Insbesondere auch, wenn es um Gewalt gegen eine Sache (ihr Eigentum, Haus) geht. Als es aber um Gewalt gegen mich und meine Kinder durch einen Mieter im September 2011 ging, machten die GeschäftsführerInnen keinen Gebrauch von der Möglichkeit, gegen diesen Mieter eine Abmahnung auszusprechen. Im Gegenteil! Die GeschäftsführerInnen „verbrüderten" sich mit der gegen mich gewalttätig gewordenen Person, die ich offiziell angezeigt hatte und forderten von mir ein „offizielles Papier", welches meine Behauptung bestätigen würde. Ansonsten müssten sie annehmen, dass ich in der ihnen bekannten Weise Lügen erzähle.

Nicht nur Heuchelei und Doppelmoral sind eisige Schwerter gegen unliebsame MieterInnen! Wir als Hausgemeinschaft haben unsere kreativen Fähigkeiten weiter zusammengetragen, um einen gemeinschaftlichen Protest gegen diese Art der Aufwertung/Verdrängung zu installieren und wollten damit anderen MieterInnen zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass das Zusammenhalten Kraft gibt und dass, auch wenn wir den Modernisierungsprozess nicht verhindern, ihn aber doch zumindest verlangsamen können und/oder dadurch sogar unsere Wohnungen behalten können. Wir sind alle Wege, auch die zum Gericht, gemeinsam gegangen. Wir wissen heute, die Gesetze sprechen nicht automatisch für uns als MieterInnen, denn RichterInnen sind ja auch teilweise selbst EigentümerInnen und das Gesetz des Geldes/der Banken/des Staates ist sehr stark. Wir haben uns nie einer Illusion hingegeben, aber wir wollten uns nicht wehrlos unser Zuhause nehmen lassen.

Wir sind jetzt im vierten Jahr des Zusammenhalts, im vierten Jahr der Modernisierung. Leider sind inzwischen alteingesessene, alte MieterInnen gestorben, oder MieterInnen haben die Flucht ergriffen, oder sie sind geräumt, bzw. durch extreme Mietsteigerungen (über100%) entmietet worden.

Ja, es hat sehr viele Nerven gekostet! Ich hatte u.a. eine rechtsseitige Gesichtslähmung. Eine so umfangreiche Modernisierung ist einfach der Horror! Dreck, Staub, Lärm, Dunkelheit durch Baugerüste, Fremde (Bauarbeiter) in deiner Wohnung, über viele Monate! Die mentale Belastung ist nicht zu unterschätzen. Du hast einfach kein „normales" Leben mehr. Es ist wirklich eine schikanöse Zumutung, für die du am Ende auch noch heftig bezahlen sollst!

Aus der anfänglichen Not heraus mein Wohnrecht verteidigen zu müssen, bin ich eine politisch orientierte Mieterin geworden (Dokumentarfilm „Mietrebellen"). Für mich ist dieses spezielle Problem ein systemimmanentes, weltumfassendes. Im Allgemeinen sprechen wir hier von „Gentrifizierung": Verdrängung der BestandsmieterInnen durch Aufwertung der Mietsache (Modernisierung) und dadurch Zuzug von „Besserverdienenden", die den Profit (Miete) der EigentümerInnen sichern können.

Mir ist noch mal ganz klar geworden: Wir müssen für unsere, für DIE MENSCHENRECHTE kämpfen, nicht nur bzgl. des Grundrechts auf Wohnen.

Hier in Berlin, sowie überall auf der Welt.

ZUSAMMENHALT MACHT STARK!

FRIEDE DEN HÜTTEN!