„Verdrängt und abgeschoben – Situation auf dem Wohnungsmarkt“
(Veranstaltungsreihe von Teilhabe e.V. am 25.4./9.5. und 23.5.2014)
„Der Widerstand formiert sich!“ (23.5.14)
Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park (AI-ETP)
Die AI Ernst-Thälmann-Park entstand Ende 2012 als Reaktion auf konkrete Planungen für umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen der in den 80er Jahren erbauten Wohnanlage und auf Spekulationen über mögliche massive Neubauprojekte auf dem gesamten Areal, insbesondere aber auch innerhalb des bisherigen Parkterritoriums. Da die Wohnanlage bei ihrer Errichtung aus Anlass des 100. Geburtstags von Ernst Thälmann das herausragende Prestige-Objekt der DDR-Führung war, stieß die AI von Anfang an auf eine sensible politische Konstellation.
Das Areal der Wohnanlage ist überwiegend von den auf dem Immobilienmarkt hochbegehrten Gründerzeitvierteln des Prenzlauer Berges, wie Helmholtz- oder Kollwitzkiez, umschlossen – und hat inzwischen auch so etwas wie die Funktion eines Auffangbeckens für Gentrifizierungsflüchtlinge, da die Mieten im Ernst-Thälmann-Park lange Zeit noch sehr günstig waren. Allerdings hat auch die öffentliche Eigentümerin die Veränderung in den umliegenden Kiezen erkannt und begonnen, bei der Neuvermietung deutlich an der Preisschraube zu drehen. Einzig die Genossenschaftswohnungen auf dem Areal bilden weiterhin einen Hort von ungefährdet sozialverträglichen Mieten. Die in sozialpolitischer Hinsicht wegen der umfassenden Verdrängung der vorherigen Wohnbevölkerung vollständig gescheiterten Sanierungsgebiete am Prenzlauer Berg erhöhen allerdings den Aufwertungsdruck auf das Areal um den Ernst-Thälmann-Park. Für Investoren gibt es nach dem Ende der Sanierungsorgien in den benachbarten Altbauquartieren am Prenzlauer Berg kaum noch Möglichkeiten, Sanierungen oder Neubau zu realisieren. Die einzigen größerenteils völlig unentwickelten Freiflächen im gesamten südlichen Teil des Großbezirks Pankow sind die Areale um die Greifswalder Straße und den ETP.
Da in Pankow insgesamt etwa 25% (!!!) des für ganz Berlin in den nächsten Jahren vom Senat angedachten Neubauvolumens realisiert werden und der Bezirk einen Einwohnerzuwachs von ca. 17% erhalten soll (für ganz Berlin ist ein Einwohner-Zuwachs von ca. 7% Grundlage der Senatsplanungen), müssen besonders in den begehrten Lagen Pankows auch Neubaugrundstücke identifiziert werden. Ob für diese Zielsetzungen des Senats die Sicherung der öffentlichen, infrastrukturellen und ökologischen Flächenbedarfe insbesondere in den bereits hochverdichteten Quartieren seriös berücksichtigt wurden, ist in der stadtweiten Debatte dabei derzeit ebenso unklar wie in der konkreten Auseinandersetzung um das Areal in und um den Thälmannpark.
Da nur ganz wenige der relevanten Flächen um den Thälmannpark überhaupt in privater Hand sind, ist das Vorgehen der öffentlichen Akteure in diesem Fall ausschlaggebend. Das gilt sowohl für die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, der das deutliche Schwergewicht der Wohnungen im Areal gehört, wie für andere landeseigene Betriebe oder das Land Berlin oder den Bezirk. Sogar die beiden einzigen „Gentrifizierungs“-Bauten auf dem Areal, der sogenannte „Danziger Bogen“ und die „Ella“, konnten von Immobilienspekulanten nur errichtet werden, weil landeseigene Betriebe die jeweiligen Grundstück verkauften. Ohne das aktive Mitwirken der öffentlichen Hand ist also auch hier Gentrifizierung gar nicht möglich.
Die Ziele der Initiative waren sofort klar umrissen. Völlig überzogene Kernsanierungen der modernen Wohngebäude sollten ebenso vermieden werden wie alle in die Diskussion gebrachten Neubauten, inklusive eine Bebauung des Brachgeländes des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße. Zudem war innerhalb der Initiative von Anfang an unstrittig, dass eine denkmalschutzrechtliche Würdigung der gesamten Wohnanlage selbstverständlich wäre.
Erste Aktivitäten in dieser Richtung wurden unternommen. Sehr schnell verlagerte sich der Schwerpunkt des Engagements der AI aber auf das eher langfristige Ziel, die drei bereits vorhandenen Parkanlagen des Ernst-Thälmann-Parks an der Greifswalder Straße, des Parks am Planetarium an der Prenzlauer Allee und des Anton-Saefkow-Parks südlich des S-Bahnhofs Greifswalder Straße zu einer großen Grün- und Parkanlage entlang des S-Bahnrings zu verbinden (inzwischen erweitert um eine „Verlängerung“ bis an die Landsberger Allee). Und es wurde die zugehörige Kampagne „teddyzweinull“ für dieses innerstädtische Grünprojekt gestartet.
Dreh- und Angelpunkt für die Auseinandersetzung ist die künftige Nutzung des früheren Güterbahnhofgeländes an der Greifswalder Straße, ebenfalls eine von einer öffentlichen Institution privatisierte Liegenschaft.
Die Entscheidung, welche Nutzung auf diesem früheren Güterbahnhofsgelände künftig stattfinden kann, ist städtebaulich allerdings von gravierender Bedeutung für eine einmalige Jahrhundertchance (ähnlich der Situation am Tempelhofer Feld) für den gesamten Nordosten des Prenzlauer Berges. Eine Verbindung der bislang durch den S-Bahn-Ring geteilten Stadtquartiere ist nur möglich, wenn es zu keiner Privatisierung des Geländes kommt.
Das Bezirksamt Pankow gab dazu eine Voruntersuchung in Auftrag, deren Charakter, Bedeutung und Zielsetzung das Bezirksamt der Öffentlichkeit allerdings nicht erklären konnte. Bekannt ist bisher nur, dass diese Voruntersuchung bereits ca. 100.000 € gekostet hat und sich vorrangig – ganz zufällig –nur mit solchen Zielsetzungen beschäftigt, die zufällig im Wesentlichen deckungsgleich mit den von den privaten Investoren diskutierten Bebauungsplänen sind. Üblicherweise könnten die Kosten für so eine Voruntersuchung nur durch einen städtebaulichen Vertrag vom Bezirk auf Investoren wieder abgewälzt werden, andernfalls würde der Bezirk auf den hohen Kosten für einen Untersuchungsbericht sitzen bleiben, der kaum einen anderen Sinn ergibt, als den Weg für die Investorenpläne frei zu machen.
Obwohl der Abschluss dieser „Voruntersuchung“ erst noch bevorsteht, lässt der Pankower Baustadtrat seit mehr als einem Jahr keine Gelegenheit aus, zu signalisieren, das er nichts anderes im Sinn hat, als den Investoren den Weg zu ihren Millionengewinnen zügig zu ermöglichen, obwohl jeder stadtplanerische oder kommunalpolitische Sachverstand nur klar gegen eine Privatisierung gerade dieses Areals sprechen kann.
Wie die weitere Entwicklung in den nächsten Jahren aussehen wird, weiß zur Zeit niemand. Auffällig ist dennoch, dass es in der bestehenden politischen Parteienlandschaft keine Kraft gibt, die sich konsequent gegen diesen Ausverkauf der Stadt stellt und somit die Bürgerinnen und Bürger Berlins bei der Sicherstellung und Bewahrung der öffentlichen Güter von der Politik in der Regel im Stich gelassen werden. So wie sich das bisher auch in Pankow immer wieder zeigt. Besonders irritierend bleibt für die Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park dabei allerdings weiterhin, dass ausgerechnet innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen ihre härtesten Gegner in der Auseinandersetzung um eine wichtige innerstädtische grüne Lunge versammelt sind.
Das alles hält die Initiative aber nicht davon ab, den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren, und sich deshalb immer wieder zu treffen, um den Park zu säubern, den Teich zu pflegen, Flohmärkte zu veranstalten oder einfach nur zu Feiern und vieles andere zu tun – denn wer sich in seinem Kiez nicht wohlfühlt und dort nicht gerne mit seinen Nachbarn lebt, der kämpft auch nicht darum, genau das zu erhalten.