„Verdrängt und abgeschoben – Situation auf dem Wohnungsmarkt“
(Veranstaltungsreihe von Teilhabe e.V. am 25.4./9.5. und 23.5.2014)
„Der Markt soll es richten: Wohnen auf der Straße?“ (25.4.14)
Redaktion MieterEcho/ Berliner Mietergemeinschaft
Kurzer Überblick über den Wohnungsmarkt und die Wohnungspolitik in Berlin
Bis 2007 schien die Welt auf dem Berliner Wohnungsmarkt noch in Ordnung. Die inzwischen vergessene Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer konnte mantrahaft verkünden, Berlin habe einen entspannten Wohnungsmarkt, und stützte sich dabei sowohl auf die Bauleistungen in den 90 Jahren als auch auf einen vorübergehenden Bevölkerungsschwund. 2007 allerdings hatte sich die Situation schon längst gedreht. 100 Wohnungen standen nicht mehr für 98 Haushalte zur Verfügung, sondern nur noch für 104. Die rot-rote Koalition hielt, so lange es ging, an ihren Glaubenssätzen vom entspannten Wohnungsmarkt fest, wich aber zuletzt in den Vergleich mit München aus. Dort, so wurde den Berliner Wohnungssuchenden verkündet, seien die Mieten noch höher. Welch ein Trost.
Seither verschärft sich die Lage kontinuierlich. Die für einen funktionierenden Wohnungsmarkt notwendige Fluktuationsrate von drei Prozent ist längst aufgebraucht.
Das immer knapper werdende Wohnungsangebot führt zwangsläufig zu steigenden Mieten. Die Angebotsmieten liegen inzwischen um ca. 25% über den Mieten im Bestand.. Umzüge werden zum Risiko. Wer seine Wohnung verlassen muss, findet keine mehr zu gleichen Bedingungen.
Junge Erwachsene bleiben bei den Eltern, weil eine eigene Wohnung ihre finanziellen Möglichkeit übersteigt. Gilt eine Umzugsrate von ca. 10% als normal, so ist sie in Berlin auf 6,9% geschrumpft. Ein Vorgang, der als innere Verdrängung bezeichnet wird.
Große Chancen für Investoren aus allen Ländern
Nach den skandalösen Verkäufen ganzer Wohnungsbaugesellschaften durch den rot-roten Senat schlug die Stunde für die mittleren Investoren wie Akelius, Taekker und Co. Sie werden seither begleitet von kleinen Investoren, die gute Renditechancen auf den immer enger werdenden Wohnungsmarkt wittern. Eigentümerwechsel ist für die meisten Mieter/innen dieser Stadt eine fast alltägliche Erscheinung. Stets drohen dabei Modernisierungen und saftige Mieterhöhungen. Der Protest regt sich, immer mehr Mieter/innen schließen sich zu Hausgemeinschaften zusammen, um dem profitablen Treiben der Spekulanten kollektiven Widerstand entgegenzusetzen. Das ist nicht nur gut so, sondern auch notwendig.
Die Politik glänzt mit Scheinaktivitäten. Senator Müller schließt mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ein Bündnis. Dass sein politischer Auftrag ist, sie zu sozialem Handeln anzuhalten, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen. An einem Stadtentwicklungsplan wurde anderthalb Jahre gearbeitet. Nun hat man zwar einen Plan, aber immer noch kein wohnungspolitisches Konzept.
Die Zweckentfremdung von Wohnung kann per Gesetz und Verordnung seit Mai diesen Jahres eingeschränkt werden, aber zur Umsetzung fehlt das nötige Personal in den Bezirksämtern. Mit der Zweckentfremdung wurde gleichzeitig die größte Seuche in der Stadt, die Missnutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen, für weitere zwei Jahre sanktioniert. Es ist das reinste Narrenhaus.
Was muss geschehen?
Die Fachwelt in Deutschland schätzt, dass zur Erhaltung des Bestands ein jährlicher Neubau von einem Prozent erforderlich ist. In Berlin wären das19.000 Wohnungen bei einem Gesamtbestand von 1.9 Mio. Wohnungen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Berliner/innen durch Zuzug jeweils um ca. 40.000 angewachsen. Deren Nachfrage erfordert einen Neubau von ca. 15.000 Wohnungen. Die Gesamtbauleitung in dieser Stadt dürfte also, um den Status quo zu erhalten, – konservativ geschätzt – 30.000 Wohnungen nicht unterschreiten. Doch davon ist man weit entfernt. Der im Frühjahr diesen Jahres erschienene IBB-Bericht von 2013 weist für das Jahr 2012 eine Neubauleistung von 4.206 Wohnungen aus. Es sind also noch nicht einmal die in der Koalitionsvereinbarung angekündigten und schon damals als unzureichend empfundenen 6.800 Wohnungen erreicht. Ein Vergleich dessen, was notwenig wäre, mit dem, was tatsächlich geschieht, lässt mit Erschrecken erkennen: In Berlin wird Jahr für Jahr ein beachtliches Wohnungsdefizit produziert. Sehr zugunsten der Spekulanten aus aller Herren Länder denn die Mieten werden weiter steigen und steigen.
Selbst die unzureichenden Neubauangebote decken nicht die ganze Breite des Wohnungsmarktees ab. Zu einem großen Teil wurden Eigenheime oder Eigentumswohnungen gebaut, und bei den Mietwohnungen handelt es sich um das hochpreisiege Segment, das nur den mittelschichtigen Besserverdienenden und darüber zugänglich ist. Der Mietwohnungsbau für die arbeitende Durchschnittsbevölkerung findet praktisch nicht mehr statt.
Ende letzten Jahres wurde eine „Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau“ (inkw) gegründet, die einen staatlich finanzierten kommunalen Wohnungsbau fordert. In diesen Beständen können die Mieten jenseits der dramatischen Marktentwicklung politisch so festgesetzt werden, dass sie die Berliner Haushalte mit kleinem bis durchschnittlichen Einkommen nicht überfordern.
Nachhaltiges politisches Handeln ist ein Gebot der Stunde. Eine Rückkehr zu dem alten sozialen Wohnungsbau, der mit seinen Förderungen eine Baumaffia züchtete, darf nicht mehr möglich sein. Staatliches Geld muss zu kommunalem Eigentum führen. Ein Neubau, der diese Bedingungen erfüllt, ist dringend notwendig.