Vortrag und Diskussion mit Thilo Broschell
Die Verabschiedung des „Rechtsvereinfachungsgesetzes“ (9. SGB II-ÄndG) und der damit verbundene verschärfte Druck auf die Erwerbsarbeitslosen führt zu einer Renaissance der Ein-Euro-Jobs. Künftig sollen Langzeiterwerbslose nicht nur Arbeitsgelegenheiten über längere Zeiträume verrichten (max. 24 Monate), sondern bis zur Zwangsverrentung in solche Maßnahmen gesteckt werden können. Außerdem werden die Jobcenter zukünftig Ersatzansprüche an die SGB- II-Leistungsberechtigten geltend machen können, wenn sie durch vermeintlich „sozialwidriges Verhalten“ ihre Hilfebedürftigkeit nicht reduzieren, sie aufrechterhalten oder verstärken. Im Klartext: Damit werden die Sanktionsmechanismen weiter ausgebaut.
Nachdem Zehntausende Flüchtlinge Schutz in Deutschland suchten, hat nun die Bundesregierung mit dem Integrationsgesetz nachgelegt. Eine beschleunigte Integration in den Arbeitsmarkt kann „eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden“, schwärmte schon im letzten Jahr der Chef der Daimler AG. Dem kommt die Bundesregierung nun nach: Flüchtlinge sollen schon während des Asylverfahrens einer „sinnvollen Betätigung“ nachgehen. Der Bund legt mit dem Programm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ 100.000 „zusätzliche Arbeitsgelegenheiten“ für Asylbewerber auf, die nach den Vorschlägen der Regierungskoalition kein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Sie werden allerdings nur mit 80 Cents die Stunde entgolten und umfassen maximal sechs Monate und bis zu 30 Wochenstunden. Asylbewerberleistungen können jedoch gekürzt werden, wenn Asylbewerber Arbeitsgelegenheiten oder Integrationskurse ohne wichtigen Grund ablehnen oder abbrechen. Flüchtlinge sollen schon während des Asylverfahrens einer Beschäftigung nachgehen – zum Beispiel in ihrer Sammelunterkunft bei der Essensausgabe mitarbeiten oder Grünanlagen pflegen.
Nach Angaben von Spiegel-Online sind derzeit fast eine Million Stellen in Deutschland unbesetzt. Dies wird aber nicht zu Lohnsteigerungen bei den angebotenen Jobs führen, sondern neue Konkurrenten werden an den Start gebracht. Die Arbeitgeber können aus mehr BewerberInnen auswählen, sie gegeneinander ausspielen und die Standards absenken – denn Flüchtlinge sind kaum gewerkschaftlich organisiert und leisten wenig Widerstand. Darum ermöglicht das erhöhte Arbeitskräfteangebot der Kapitalseite, leichter gegen Hindernisse eines komplett deregulierten Arbeitsmarkts vorzugehen. „Neoliberalisierung des Flüchtlingsrechts“ und „Integration durch Verunsicherung“ sind dabei aktuelle Schlagworte, die die Entwicklung sinnfällig markieren.
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung bildet die Frage, wie einer Spaltung zwischen „einheimischen“ und „ausländischen“ Beschäftigten entgegengewirkt und ein gemeinsamer Kampf um bessere Arbeitsbedingungen für alle geführt werden kann.
Veranstaltungsreihe "Kampf gegen rechts und die soziale Frage"