Selbst- ermächtigung, -verwaltung, -organisation, -verwirklichung....

ein Seminar am 9. und 10. März 2012 im Mehringhof, Gneisenaustr.2a

Freitag, d. 9. März 2012 um 19 Uhr

Willi Hajek: Selbstermächtigung in Betrieben

Willi Hajek ist ein Herausgeber des Buches „Sechs Tage der Selbstermächtigung- Der Streik bei Opel in Bochum Oktober 2004“. Er wird darüber berichten, was Selbstermächtigung in Betriebskämpfen bedeutet.

Gisela Notz: Selbstverwaltung in Alternativprojekten

Die Frage „gibt es ein richtiges Leben im falschen“ wurde seit Beginn der Industrialisierung immer wieder neu gestellt. Trotz der immer wiederkehrenden Zweifel daran, ob es möglich ist, autonome utopische Inseln innerhalb des Bestehenden oder am Rande des patriarchalen Kapitalismus aufzubauen, gründeten sich viele Alternativbetriebe und –projekte und kommunitäre Gemeinschaften, um Hier und Heute Experimente einer anderen Wirtschaft und eines anderen Arbeitens zu entwickeln. Dazu gehören Betriebe und Projekte, in denen die Menschen selbstverwaltet und in kollektiven, nicht hierarchischen Strukturen unter selbstbestimmten Normen arbeiteten. Sie haben innerhalb des kapitalistischen Systems Fenster in eine andere Welt geöffnet. Einige Initiativen verloren sich in ihrer Subkultur, andere haben sich den Marktmechanismen sowie dem Trend zum Einzelunternehmen angepasst. Wieder andere wirken mit dem Selbstverständnis von Kollektiven gleichberechtigter Mitglieder bis heute. 

Samstag, d. 10. März

13 Uhr Selbstorganisation von Erwerbslosen (Vortrag von Anne Seeck)

Erfahrungen zeigen, dass es sehr schwer ist, Erwerbslose zu mobilisieren, auch für die Selbstorganisation. Es gibt unterschiedliche Typen von Arbeitslosen, das Spektrum reicht von Menschen, die ständig auf Arbeitssuche sind oder resigniert sind bis zu jenen, die sich selbst als „autonom“ bzw. als „Glückliche Arbeitslose“ sehen würden. Ein Bericht über eigene Erfahrungen und was möglich wäre.

14.30 Uhr Selbstverwirklichung heute? (Vortrag von Robert Ulmer)

1970er Jahre: Selbstverwirklichung wurde verhöhnt als das Hobby der Nichtsnutze. Wer sich im Beruf „selbstverwirklichen“ wollte, war verdächtig. Andererseits hohes Ansehen von Selbstverwirklichung bei Unangepassten, Nonkonformisten; es ging um Glückssuche, Hedonismus, Gesellschaftskritik, um Freiheit, Freiheit von äußeren und vor allem auch von inneren Zwängen, keine Polizei, auch keine Polizei im eigenen Kopf.

Heute erscheint diese Bedeutung von Selbstverwirklichung ähnlich unzeitgemäß wie beispielsweise die Forderung nach „Wohlstand für alle“. Heute sind die Selbstverwirklicher vor allem auch gute Selbstvermarkter. Es gelingt ihnen der Schritt der Empathie, der Einfühlung in andere: „Womit kann ich Ihnen dienen?“ Aber ist diese Markt- und Kundenorientierung nicht ein Zustand äußerster Entfremdung, der Ich-Schwäche, denkbar weit entfernt von so etwas wie Selbstverwirklichung?

Und was ist das überhaupt, das „Selbst“, das „sich verwirklichen“ will? Etwas „in mir“, an dem ich „arbeiten“ kann? Oder etwas, das nur im Kontakt mit anderen entstehen kann. Kann ich, wie Sartre sagt, Selbsterkenntnis nur durch Erfahrungen mit anderen erlangen: „der Andere besitzt den Schlüssel zum Geheimnis meines Seins“.

Samstag, d.10. März um 16.00 Uhr

Über die Illusion der Selbstregierung und Selbstverwaltung – Eine Kritik des Selbst, das sich als Subjekt begreift. (Vortrag von Wolfgang Ratzel)

Derzeit er-leben wir die totalitäre Herrschaft kapitalistisch-technischer Verhältnisse. Niemand –weder Regierungen noch Finanzinstitute, Kontrollmechanismen oder Experten- kann deren Komplexität durchschauen, geschweige denn zielgerichtet steuern. „Es“ regiert uns, nicht wir „es“.

Und ausgerechnet auf dem Tiefpunkt der wirklichen Selbstregierungsmöglichkeiten kommen Linke und Alternative auf die Idee, die authentisch-bürgerliche Ideologie der Autonomie wiederzubeleben. Wortgebilde wie Selbstregierung, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung oder Selbstverwaltung werden wie Fetische vor sich hergetragen - so als ob man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben könnte.

Meine These lautet: Im Funktionsraum der kapitalistisch-technischen Verhältnisse ("Markt") kann es kein selbstermächtigtes, selbstbestimmtes Wirtschaften und Arbeiten geben – egal, in welcher Ideologie und Rechtsform. Und dieser Wille zur Selbstregierung ist auch nicht wünschenswert – im Gegenteil: Er ist die Wurzel des Übels.

Unterstützt wurde das Seminar von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt

 

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