Die Frage kann mit ja beantwortet werden. Zwar sind uns bis jetzt nur wenige Fälle bekannt geworden, vor allem aus Spandau, wo Hartz IV-BezieherInnen nach Brandenburg abgeschoben wurden. Auch bildet der Campingplatz noch die Ausnahme, es gibt aber in Berlin keinen Grund dafür, von Entspannung zu reden – im Gegenteil. Das ganze Dilemma beginnt schon mit der AV Wohnen, die die Politik zu verantworten hat.
Ansprüche auf Übernahme der Kosten der Unterkunft:
HeizölErdgasFernwärme
Größe der Bedarfs-
Gemeinschaft
nach Anzahl
der PersonenGebäude-
Fläche
in m²
Richtwert
Bruttowarm
mtl. in €
Richtwert
Bruttowarm
mtl. in €
Richtwert
Bruttowarm
mtl. in €
1100-250435,00419,00428,00
251-500432,00415,00426,00
501-1000429,00413,00423,00
über 1000427,00411,00421,00
2100-250522,00503,00514,00
251-500519,00498,00511,00
501-1000515,00495,00507,00
über 1000512,00493,00506,00
3100-250621,00596,00610,00
251-500616,00591,00606,00
501-1000611,00587,00602,00
über 1000608,00584,00600,00
4100-250703,00675,00692,00
251-500698,00669,00687,00
501-1000692,00665,00682,00
über 1000689,00662,00680,00
5100-250831,00799,00817,00
251-500825,00792,00812,00
501-1000818,00787,00807,00
Die Höhe der Aufwendungen ergibt sich aus der Art der Heizung und der Wohnfläche des Wohnhauses. Warum das so ist, bleibt ein Rätsel. Es sollten doch eigentlich die realen Heizungskosten der Wohnung übernommen werden.
So befanden sich im Juli 2013 noch 35.000 Haushalte in der Warteschleife zum Zwangsumzug.
Nach der Anpassung vom Februar 2014 lebten 315.600 Bedarfsgemeinschaften in Berlin. Die Zahl der Umzüge wegen Hartz IV soll um 70% gesunken sein. Wie das sein kann bei allein 35.000 Haushalten, die im Jahr 2013 von einer Kostenfestsetzung zur Reduzierung der Miete betroffen waren, bleibt ein Rätsel.
Auch in dem neuen IBM-Wohnungmarktbericht wird festgestellt, dass die tatsächlichen Wohnungskosten im Schnitt um 3% über der übernommenen Miete des Jobcenters liegen.
Jetzt kommen wir zu einem weiterem Akteur, das Jobcenter:
Viele kennen es sich aus eigener Erfahrung. Die Bearbeitungszeiten sind lang und oft fehlerhaft. Aber wenn es ums Geld geht, fangen die Jobcenter an zu sparen, weil am Ende des Jahres Prämien an die wirtschaftlichsten Jobcenter, d.h. an die Geschäftsführer bis hin zu den Gruppenleitern, ausgeschüttet werden. Da heißt es, das Geld zusammenzuhalten. So werden im Jobcenter Neukölln gerade einmal 17% aller Anträge auf Übernahme der Mietschulden akzeptiert. So müssen Menschen, die aufgefordert werden, ihre Mietkosten zu senken, Energie sparen, weil eventuelle Nachzahlungen nicht mehr übernommen werden.
Besonders krass sind aber die in letzter Zeit bekannt gewordenen Fälle von Kündigungen Hartz IV beziehender Menschen, denen das Jobcenter die Miete direkt überweisen sollte, was aber aus den unterschiedlichsten Gründen dann nicht geschah. Diese Kündigungen wurden höchstrichterlich bestätigt. Die Frage, wie die betroffenen Menschen hätten überprüfen sollen, ob das Jobcenter die Miete rechtzeitig überwiesen hat, spielt für das Gericht keine Rolle.
Wie weltfremd die Bescheide zur Kostensenkung ausfallen, dafür ein Beispiel: So forderte das Jobcenter Neukölln eine 4-köpfige Familie mit einer 2- Zimmer-Wohnung auf, die Kosten ihrer Unterkunft zu senken und ein Zimmer unterzuvermieten. Auch ein Ausweichen an den Stadtrand, wo es angeblich noch Wohnungen mit bezahlbaren Mieten gemäß Hartz IV geben soll, wird immer unwahrscheinlicher. Zum einen steigen die Mieten auch dort, zum anderen wird in den letzten Sozialstatistiken davor gewarnt, dass sich in Reinickendorf, Spandau und Hellersdorf neue soziale Brennpunkte entwickeln. Umgangssprachlich wird auch von neuen Sozialghettos gesprochen. Das führt dazu, dass auch gerade die Städtischen Wohnungsunternehmen keine Wohnungen mehr an Menschen vermieten, die Hartz IV bekommen – um die vielbeschworene soziale Mischung nicht zu fährden. Bis jetzt ist aber völlig unklar, was diese Mischung sein soll bzw. wie sie auszusehen hat. Sie wird auch immer nur dann ins Feld geführt, wenn es darum geht, Menschen mit wenig Einkommen, mit Migrationshintergrund oder generell Sozialleistungsbezieherinnen auszugrenzen. Bis heute sah noch niemand die soziale Mischung in Gefahr, wenn wie in Zehlendorf (zu) viele Reiche wohnen.
Auch an anderen Stellschrauben drehen die Städtischen Wohnungsunternehmen mit. So haben alle städtischen Wohnungsunternehmen im letzten Jahr 887 Zwangsräumungen vollzogen. Für die anderen Wohnungsunternehmen liegen leider keine Zahlen vor. Es ist aber unstrittig, dass die Zahl der Obdachlosen und Wohnungslosen steigt. Soll die Obdachlosigkeit vermieden werden, bleibt dann nur noch das Zusammenrücken. Zwar stieg in Berlin die Zahl der 1-Personenhaushalte auf 54%, gleichzeitig sinkt die Wohnfläche pro Einwohner von 38,7 auf 38,2 Quadratmeter und auch die Wohnungsbelegung steigt auf 1,87 Personen. Hier kann von einer neuen Form einer inneren Verdrängung gesprochen werden. Dies geht in erste Linie zu Lasten von Kindern aus Haushalten mit geringem Einkommen. Als letzter Ausweg bleibt dann nur noch, sich die nicht mehr gezahlten vollen Mieten vom Munde abzusparen, d.h. beim Lebensunterhalt einzusparen.
Eine Verbesserung für Menschen mit Hartz IV und geringen Einkommen ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Von der Politik wird das Problem schöngeredet und in Richtung eines notwendigen Neubaus gelenkt, wobei dort Mieten aufgerufen werden, die von Menschen mit Hartz IV nicht zu bezahlen sind. Auch seien immer noch Wohnung zu bekommen, die auf Grundlage der AV-Wohnen zu bezahlen sind. Der Kopf wird in den Sand gesteckt und darauf gesetzt, dass es der Markt schon richten wird oder die neuen tollen Gesetze des Bundestages. Aber auch da dürfte sich die Hoffnung als trügerisch erweisen. So hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit in einer Studie festgestellt, dass selbst bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro gerade einmal 80.000 von insgesamt 1,4 Millionen AufstockerInnenn nicht mehr auf Hartz IV angewiesen sein werden. Das liegt daran, dass viele Menschen nur über Teilzeitverträge oder einen 400-Euro-Job verfügen. Auch reicht der Mindestlohn nicht aus, um als Alleinverdiener eine Familie ernähren zu können.