Linke Betriebsintervention und K-Gruppen in den 70er Jahren

16. und 17. Dezember 2011,

ein Seminar im Mehringhof,

Gneisenaustr.2a

Freitag, d.16.12. um 19 Uhr

Buchvorstellung "Frühschicht - Linke Fabrikintervention in den 70er Jahren"

„Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Aber ohne die Arbeiterklasse hatten wir keine Chance, die Welt zu verändern, so viel war klar.“ Das schrieb Harry Oberländer 1977, Jahre nachdem er als revolutionärer Aktivist bei Opel in Rüsselsheim angeheuert hatte. Vom Studenten zum Arbeiter.

Was heute kaum vorstellbar klingt, war Anfang der 1970er Jahre weit verbreitet. Einige tausend junge Linke tauschten den Seminarstuhl gegen die Werkbank, um sich mit den Arbeitern am Fließband zu vereinen. In seinem Buch „Frühschicht“ geht Jan Ole Arps der Geschichte dieses vergessenen politischen Experiments nach. Er beschäftigt sich mit den K-Gruppen, die sich an Lenins Modell der Kaderpartei orientierten, und den Spontis, die die These von der Autonomie der Arbeiterkämpfe in der Fabrik erprobten, schildert die Kluft zwischen revolutionärer Hoffnung und betrieblichem Alltag und forscht nach den Strategien der Beteiligten, mit diesem Widerspruch umzugehen. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen der Protagonisten, die mal nur einige Monate, manchmal ein ganzes Leben in der Fabrik geblieben sind.

Samstag, den 17.12. 2011

13 Uhr Karl- Heinz Schubert: Aufbruch zum Proletariat- Die sozialrevolutionäre Episode der Westberliner Basisgruppen 1968/69

Im Zusammenhang mit den Osterunruhen 1968 wurden in Westberlin die ersten politisch heterogenen Basisgruppen gegründet, die sich bald über folgende Stadtteile ausbreiteten:

Friedenau, Kreuzberg, Märkisches Viertel, Moabit, Neukölln, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Wedding, Wilmersdorf und Zehlendorf. Ihre ursprüngliche politische Aufgabenstellung – Aufklärung über politische Missstände und Solidarisierung gegen Repression im Stadtteil zu betreiben - veränderte sich, als sich die Auffassung herausbildete, dass das Proletariat das „historische Subjekt“ für die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise sei. Von da an bis zu ihrem Zerfall durch die Gründung kommunistischer Organisationen verstanden sie sich als Stadtteilgruppen, die vorrangig Betriebsarbeit initiierten, um dort Positionen des Klassenkampfes zu verankern.

In dem Vortrag soll auch das Verhältnis von Bruch und Kontinuität durch die Bildung der so genannten K-Gruppen aufgezeigt werden, um deren betriebliche Praxis der 1970er Jahre besser einordnen zu können.

Samstag, 15 Uhr Wolfgang Ratzel: Wir gingen ins Proletariat! – Anspruch, Wirklichkeit und Folgen maoistischer Betriebsintervention.

Ab den späten Sechzigerjahren gaben Tausende von Studierenden ihre karrieresicheren, gutdotierten und altersgesicherten Berufsperspektiven auf, um “ins Proletariat zu gehen". Statt revolutionärer Kampf auf dem Campus der Universitäten nunmehr revolutionäre Betriebsarbeit und Schwerarbeit als Hand- und HilfsarbeiterInnen.

Die BetriebsgängerInnen kamen mehrheitlich aus den maoistischen Nachfolgegruppen des SDS. Welche Motive trieben diese Tausende dazu, um 5 Uhr morgens aufzustehen, um die Wonnen der Frühschicht zu genießen? Welche Kraft verwandelte  den fordistischen Betrieb in einen Ort, der Erlösung vom Übel des Kapitalismus versprach? Was wollte man erreichen?

Gibt es Anzeichen dafür, dass die (maoistische) Betriebsintervention wider Willen den Modernisierungsprozess zur postfordistischen Produktionsweise beschleunigt hat?

Und enthält die heutige spätmoderne Arbeitsorganisationen Elemente maoistischer “Ideale"?

Der Vortragende war selbst Betriebsgänger und spricht aus der Erfahrung von 22 Jahren Betriebsintervention.

Unterstützt wurde das Seminar von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt

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