Veranstaltung am 18.Juni 2013 im Mehringhof (20 Teilnehmer_innen)
Vortrag von Wolf Wetzel: „Stadt in der Krise“
Der Referent fasste die letzten Kapitel seines Buchs „Aufstand in den Städten: Krise, Proteste, Strategien“ zusammen: „Der dissidente Kommunismus hat eine lange Geschichte – der Operaismus“, “Vom Hauptwiderspruch zu vagen Konsequenzen“ und „Der kommende Aufstand“. Er wandte sich gegen eine geschichtsteleologische Gewissheit, denn es gehöre zu den herausragenden Leistungen des Operaismus, der fatalistischen Huldigung von vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten vehement widersprochen zu haben. Wetzel bezog sich positiv auf John Holloway, der rät, die Finger vom Staat, von der Übernahme des Staates, zu lassen. Auch ein zweiter Marsch durch die Institutionen würde sich damit erübrigen. Weder wird uns der Kapitalismus zwingend in eine bessere Welt führen, noch ein revolutionäres Subjekt erscheinen, uns an die Hand nehmen und in den siegreichen Kampf führen. „Alles muss man selber machen“ war eine wunderbare und anstrengende Parole bei den Krisenprotesten. Sie bringt es aber auf den Punkt.
Bericht über die Arbeitsweisen einer Stadtteilgruppe aus Berlin von Thilo Broschell
Der Referent gab zuerst einen kurzen Überblick über die Entwicklung einer mietenpolitischen Bewegung in Berlin. Sie reicht zurück bis zur Räumung der Liebigstraße in Berlin-Friedrichshain, zu den brennenden Autos, der ersten Mieter_innendemo ohne Parteien, über die Besetzung der Stillen Straße, zu Kotti und Co bis zur aktuellen Kampagne „Zwangsräumungen verhindern“. In diesem Umfeld hat sich auch die Stadteilgruppe gegründet, mit einem klaren Bezug zum Kiez als entscheidendem Feld von sozialer Organisierung. Die Gruppe wendete sich zuerst gegen die rassistische „Task Force Okerstraße“, danach traten durch die Öffnung des Tempelhofer Feldes schnell die steigenden Mieten in den Vordergrund. Dazu organisierten wir gemeinsam mit der Berliner Mietergemeinschaft Veranstaltungen zu den ansteigenden Betriebskosten und zum aktuellen Berliner Mietspiegel. Die Gruppe lud zu mehreren Stadteilversammlungen ein, gibt eine Zeitung heraus und beteiligte sich an „Stadt vernetzt“, auch eine regionale Koordination für Neukölln wurde ins Leben gerufen. Eine große Schwierigkeit besteht darin, dass die Stadtteilgruppe bislang nur auf minimale Erfolge verweisen kann. Es konnten zwar einige Mieterhöhungen oder Betriebskostennachzahlungen verhindert werden, aber im großen und ganzen läuft die herrschende Politik weiter wie bisher. Auch wenn sich der Herr Müller (Senator für Stadtentwicklung) zu leichten Korrekturen veranlasst sah, geht die Verdrängung einkommensarmer Menschen aus dem inneren S-Bahn-Ring weiter. So gestaltet sich auch die Einbindung von neuen Leuten als schwierig, weil deren Erwartungshaltung sich häufig als unrealistisch erweist (ganz schnell soll sich was ändern!). Es gibt aber erst einmal keine andere Möglichkeit, als sich an den Mühen der Ebene zu versuchen und so den Aufbau von Strukturen voranzubringen. Deshalb sollte es um eine verbesserte Verankerung der Stadtteilgruppe im Kiez gehen, weshalb eine bessere Präsenz an vielen sozialen Orten im Kiez anzustreben ist. Diese dienen heute schon ganz oft als Austausch für Tipps und Tricks, wie Menschen ihren Alltag meistern können. Sie stellen so einen guten Anknüpfungspunkt für eine weitere gemeinsame Widerstandsperspektive im Kiez da.
Unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung